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Energiezukunft heute gestalten

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Eine Geschichte, wie man vom Weg abkommt und dabei ein neues Ziel findet.

Über den Elefant im Raum

31.1.2023, Text: Melanie Peschel

Forschung heißt mitunter, dass das Ergebnis nicht feststeht, sondern ein neuer Weg gegangen wird. Wohin dieser führt, ist mitunter nicht eindeutig. Auf Forschungsreise gehen, kann ähnlich sein. So landete Kolumbus bekanntlich in Nordamerika anstelle in Indien und prägte so bis heute den landläufigen Namen der Ureinwohner – kann passieren. Ich war auf Forschungsreise im Januar – auf digitalen Pfaden und auch nicht im Auftrag des Königs von Spanien, sondern aus eigenem Antrieb. Forschungsgegenstand: Der Afrikanische Elefant, der Klimawandel, die Implikationen. Dabei bin ich ganz wo anders rausgekommen, als gedacht – und das ist gut so. Denn gefunden habe ich neue Perspektiven sowie einen erweiterten Horizont.

Einfach mal der Neugier folgen

Eigentlich war der Plan, systematisch die Spenden-Kampagnen zu analysieren, die von den unterschiedlichen Tierschutz- und Hilfsorganisationen gefahren werden. Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass ein anderer Abzweig doch viel interessanter erschien. Losgelaufen auf dem mitunter am besten aufbereiteten Weg in Sachen Spendengelder-Generierung bin ich mit einem ersten Halt bei WWF Deutschland angekommen. Um der Sache näher zu kommen – faktisch wie emotional – schloss ich eine Silber-Patenschaft für den Afrikanischen Elefanten ab – Plüschtier via DHL Go Green ins Home Office inklusive. Der WWF ist in Sachen Campaigning vermutlich ganz vorne dabei, wenn es um Professionalität bei Dialogmarketing per Post und pointierter Formulierungen geht. Die WWF-Arbeit hatte ich selbst vor vielen Jahren für einige Monate mitgestaltet, als meine damalige Agentur den Auftrag erhielt, die Stubentiger-Kampagne auf Facebook zu betreuen. Das waren interessante Einblicke in die Abläufe dieser NGO mit starker Reichweite.

Kampf um Boden

Einen Abzweig genommen hatte ich dann allerdings beim Lesen dieses Artikels aus dem Herbst 2022 im Magazin „Academic rigour, journalistic flair“, übersetzt: „Akademische Strenge, journalistisches Gespür“. Forscherinnen und Forscher u.a. aus dem Fachbereich Kommunikation haben analysiert, in welchem Kontext auf Twitter der Begriff Elefant am häufigsten verwendet wird. Dabei stellten sie fest, dass meist das Problem der Wilderei damit in Verbindung gebracht wird. Dabei – so ihre Kritik – entstehe ein verzerrtes Bild. Die Wilderei sei durchaus ein Problem, aber nicht das Einzige und je nach Perspektive der Personengruppen nicht das Vorrangige. Sie zeigen in ihrem Artikel auf, dass ein Großteil der wildlebenden afrikanischen Elefanten – schätzungsweise 70 Prozent – nicht in Naturreservaten lebt, sondern frei und ohne räumliche Abgrenzung zu Siedlungen und Dörfern auf Wanderschaft ist. So romantisch das klingt – das birgt Konfliktpotenzial. Die immer extremer werdenden Dürre-Perioden – ausgelöst durch den Klimawandel – führen dazu, dass die fruchtbaren Böden und Gebiete mit für die Tiere verwertbaren Pflanzen immer kleiner werden. Zusammenstöße zwischen Elefanten und Menschen werden wahrscheinlicher. Die Anzahl der Todesfälle durch sich bedroht fühlende graue Riesen ist beträchtlich. Im zitierten Artikel heißt es zudem: „In Asia and Africa, farmers may lose 10%–15% of their crops to elephants.“ Ebenfalls ein Faktum, über das in dieser Klarheit wohl selten getwittert wird. Das Narrativ der Wilderei und Schutzbedürftigkeit verkauft sich besser (ohne es gleichzeitig kleinreden zu wollen).

Der WWF-Elefant aus Plüsch als Symbol für die Silber-Patenschaft des Afrikanischen Elefanten.
Der WWF-Elefant aus Plüsch als Symbol für die Silber-Patenschaft des Afrikanischen Elefanten.

Das unsichtbare Puzzlestück

Wie so häufig, entsteht über Medienkonsum eine Filterblase. Das passiert in Social Media ebenso wie in anderen von Journalistinnen und Journalisten kuratierten oder gemachten Publikationen. Diese Filterblasen zu erkennen und aus ihnen herauszuspringen – das ist die Kunst. Das war auch mitunter Gegenstand meines Kommunikationswissenschafts-Studiums in München. Randnotiz: Da sich das Institut für Kommunikationswissenschaft im Englischen Garten befindet, haben wir Studierende insbesondere gern im Sommersemester viele KW-Seminare belegt – Biergarten-Besuch danach inklusive. Und ganz ohne Elefanten, trotz der großen Ausmaße des Englischen Gartens. Die digitale Januar-Reise hat insofern gezeigt, was im Verlauf von etwa zwei Jahrzehnten, von den Anfängen des WWW bis heute, annähernd gleich geblieben ist: Die individuelle Kluft zwischen eigenem Wissen und objektiver Wahrheit.

Objektivität gibt es nicht

An dieser Stelle eignet es sich wunderbar, aus Prof. Maren Urner’s Buch „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ zu zitieren. Sie legt ausführlich dar, warum es keine Objektivität im Journalismus geben kann und warum eine Leserin nicht objektiv über was auch immer urteilen kann. Diesen Gedankengang finde ich sehr interessant und es durchaus wert, tiefer reinzugehen. Denn: In Zeiten des Postfaktischen, wie diese Jahre rund um 2020 manchmal auch genannt werden, wird oft der Ruf nach Objektivität als Spiegelbild von Fakten laut. Aber: Fakten sind stets nur eine Auswahl und liegen nie in ihrer Gänze aus dem Tisch. Dahingehend ist ihr Spiegelbild auch stets ein anderes, je nachdem wer die Fakten sammelt und betrachtet. Allein die Betrachtung ist eine Form der Interpretation, geprägt vom eigenen Erfahrungs-Horizont und Lesart.

Lesen verändert Perspektiven und erweitert den Horizont.
Lesen verändert Perspektiven und erweitert den Horizont.

Siehst Du den Elefant im Raum?

So hat sich ergeben, dass in der Januar-Reise ein Elefant in den Raum gekommen ist. Eigentlich ging es ums Sammeln von Erkenntnissen um der Erkenntnis willen. Ums Lernen, um des Lernens willen. Stattdessen sind Denkpfade entstanden, die in unterschiedliche Richtungen führen. Als Elefant im Raum – also dem offensichtlichen Problem, was aber von kaum jemandem gern ausgesprochen wird – steht das:

Über das, was nicht Hashtag-fähig ist

Diese Zusammenhänge sind nicht Hashtag-fähig, nicht Schlagzeilen-fit, gehören nicht zum vermeintlichen Faktenwissen. Es sind die filigran gespannten Fäden zwischen den stillen Protagonisten, die bislang kaum eine mediale Bühne erhalten haben – und insbesondere nicht die Wege, die sie verbinden. Das ist auch die Krux mit dem Thema Energiewende und Klimaschutz: Inzwischen durchaus Hashtag-fähig, sehen wir gerne besonders auf die gut ausgeleuchteten Bereiche in bekannten Gewässern. Dabei sollten wir nicht vergessen: Es gibt auch hier die leisen Protagonisten. Jene, die auch als Beteiligte im Gesamtsystem eine Rolle spielen, aber nicht mehr oder noch nicht Gegenstand der großen Diskurse sind.

Tweet by @TheAnmimalp: This Elephant thinks it’s a Giraffe🤩 #wildlife #nature #elephant #wildlifephotography #SA #animals https://youtu.be/
Tweet by @TheAnmimalp: This Elephant thinks it’s a Giraffe🤩 #wildlife #nature #elephant #wildlifephotography #SA #animals https://youtu.be/rCtKN_aP_HQ

Ein Vorschlag fürs Finden von neuen Fäden

Es geht ums Ausbrechen aus der Filterbubble. Hier hilft – wie so oft – die Lektüre von bisher Unbekanntem. Gerne lassen wir uns doch unser eigenes Wissen bestätigen und freuen uns über Texte, Postings, Aussagen Dritter, in denen wir uns spiegeln können. Sich durch die Kruste des Bekannten durchzuboxen ist mitunter anstrengend, zeitintensiv, in einer schnelllebigen Scrolling- und Swiping-Welt kaum en vogue. Aber opportun, um neue Energie freizumachen. In diesem Fall keine elektrische Energie für die Energiewende oder thermische Energie für die Wärmewende. In diesem Fall Energie fürs gegenseitige Zuhören als Anfang von neuen Kooperationen. Energie fürs Umdenken als Anfang von neuen Ideen. Energie fürs Schaffen neuer Verbindungen als Anfang von nachhaltigen Lösungen. Sei es für die Klimakrise, die Energiewende oder den Lebensraum bedrohter Tierarten sowie Kleinbäuerinnen, die übrigens auf ihren Parzellen einen relevanten Anteil der Welternährung sicherstellen. Da wird also SDG 2 „Keine Hungersnot“ wortwörtlich zertrampelt, weil SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ noch längst nicht zufriedenstellend erreicht wurden (SDG = Sustainable Development Goals, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, verabschiedet in 2015 mit der Zielsetzung, die Ziele bis 2030 zu erreichen). Meine digitale Reise begann mit neu entfachtem Interesse für und Blick auf SDG 15 „Leben an Land“. Learning: Die Zusammenhänge sind noch komplexer, als ohnehin schon vermutet.

Unscheinbare Informations-Rohdiamanten

Um dennoch der ursprünglichen Intention minimal zu folgen, hier eine Liste der Organisationen, die sich dem Wildtier-Schutz verschrieben haben und zu den besonders sichtbaren Informations-Quellen gehören. Außer dem WWF stieß ich auf:

  • Die African Wildlife Foundation, Africa’s Voice for Wildlife https://www.awf.org/
  • Wild.org – eine Organisation, die das Projekt „Mali Elephant Project – Community-centered conservation that benefits both elephants and people“ fördert
  • Kavango Zambezi, die ein interessantes Drohnen-Projekt verfolgen zur Bestandssicherung und für aus deren Perspektive nachhaltigen Tourismus ohne Grenzen
Text: Melanie Peschel, Gründerin Tracemaker

Letzter Satz und zentraler Merksatz: Auch diese Liste ist ein Puzzlestück jener Teile, die sich medial gut aufgestellt haben mit Websites, Social Media-Präsenzen, SEO-Skills und guten Headlines. Mögen unser Berufsstand als Kommunikatoren unsere o.g. Fähigkeiten weiter feilen, und zugleich aber die Antennen sensibilisieren für die noch unscheinbaren Informations-Rohdiamanten und diesen eine Bühne geben. Wer das u.a. macht sind Perspective DailyGood News Deutsch , „The Conversation“ und sicherlich viele weitere.

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